Eine kritische Auseinandersetzung mit mir.
Es ist gut 7 Jahre her, als ich meinen ersten Mitarbeiter eingestellt habe. Die Welt der Gehaltstransparenz war damals noch einfach und klar geregelt: Es gab sie einfach nicht!
Nicht, dass ich nicht faire Löhne zahlte - im Gegenteil: Aus meiner Sicht habe ich nach bestem Wissen und Gewissen einen angemessenen Lohn bezahlt. Jederzeit. Dies war so bei der Einstellung des ersten Mitarbeiters und es war auch noch so bei der Einstellung des 25. Teammitglieds.
„Fair“ heißt nicht, dass zwei Kollegen mit der gleichen Aufgabe den gleichen Stundenlohn erhalten. Es fließt bei der Findung des angemessenen Lohns einiges an Variablen mit ein: Vorerfahrungen, Engagement oder Kommunikationsfähigkeit sind nur einige Beispiele dafür.
So jedenfalls ging ich mehr als 5 Jahre vor und vereinbarte individuelle Löhne, bei denen sich beide Seiten gut fühlten. Ja, vielleicht war das meistens eine Gefühlsentscheidung!
Irgendwann aber war es mir als Geschäftsführer aus zeitlichen Gründen und der Vielzahl an neuen Bewerber:innen nicht mehr möglich, alle individuellen Gehaltsentscheidungen selbst zu treffen.
Welche Lösung könnte helfen?
Sollten vereinfacht alle Mitarbeiter:innen vom Vertriebsleiter bis zur Reinigungskraft den selben Stundenlohn erhalten - so wie es einige „moderne“ Start-Ups in Berlin vormachen? Das ist ein revolutionärer Gedanke. Und obwohl ich Herausforderungen liebe überwogen hier meine Bedenken: Ist es fair, jemandem, der viele Jahre in eine universitäre Ausbildung investiert hat und nun ein Team leitet, nicht besser zu entlohnen als einen ungelernten Monteur auf der Baustelle? Eine fast ethische Frage. Und doch war meine Antwort als Jung-Unternehmer: NEIN - das finde ich nicht fair. Allem voran hätte ich es als gelernter BWL’er nicht vertreten können. So weit bin ich noch nicht.
Welche anderen Lösungen waren also realistisch? Sollten wir einfach nach einem für uns passenden, allgemeingültigen Tarif zahlen?
Der Vorteil hierbei wäre, dass unsere Personalabteilung dann anhand der Tätigkeit und Qualifikation recht einfach den passenden Stundenlohn bzw. Monatsgehalt herausfinden könnte. Blick in die Tariftabelle und fertig.
Aber auch hier war ich nicht überzeugt: Wenn wir unsere Elektro-Fachkräfte nach Tarif bezahlen würden, so hätten wir vermutlich keine – weil aufgrund des Fachkräftemangels die Entlohnung hier in der gesamten Branche von der Lohnhöhe her übertariflich geschieht.
Wie konnte mein Weg zu Gehaltstransparenz nur aussehen?
Durch das Wachstum der Belegschaft war ich gezwungen, Verantwortung bei der Ermittlung von Lohn und Gehalt abzugeben. Gleichzeitig war mir und vielen Teammitgliedern wichtig, für mehr Transparenz bei der Lohngestaltung zu sorgen.
Die kreative Lösung folgt dann irgendwann von selbst - ich musste mich vorher nur lange genug mit dem Problem beschäftigen und mit ihm schwanger gehen.
Tatsächlich hat seinerzeit ein neuer Mitarbeiter die Grundidee geliefert für das Vorgehen, mit dem wir momentan sehr gut leben: Die Idee, kokreativ mit allen Teams eine eigene firmeninterne „Tariftabelle“ für die Zukunft zu erarbeiten.
Es handelt sich dabei um ein überschaubares Regelwerk, das aussagt, für welche Tätigkeiten mit welchen Qualifikationen welche Grundlöhne bezahlt werden. Berufliche Tätigkeiten mit Fachkräftemangel (wie unser Bereich Elektro) haben wir dabei lohntechnisch angehoben auf eine übertarifliche Bezahlung. Ergänzt wird der Tarif um Bonus-Zulagen, die für bestimmte Zusatzaufgaben oder Zusatzverantwortung gewährt werden.
Die Vorteile
Wir haben diesen firmeneigenen Tarif im 7. Jahr unseres Bestehens eingeführt und damit eine Grundlage dafür geschaffen, dass die Festlegung von Lohn und Gehalt bei neuen Teammitgliedern nun auch eigenständig durch Teamleiter:innenn und der Personalabteilung erfolgen kann. Ich als Geschäftsführer werde vor Vertragsunterzeichnung lediglich über die Entscheidung der Eingruppierung informiert.
Der zweite Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass wir den Tarif an unserem schwarzen Brett betriebsintern veröffentlichen können. Auch wenn nicht die Löhne jedes/jeder einzelnen namentlich dort genannt sind, so trägt der Tarifaushang doch zu einer deutlichen Steigerung der Gehaltstransparenz in unserem Unternehmen bei. Prinzipiell kann jeder Mitarbeitende erahnen und selbst errechnen, was die Kolleg:innen verdienen.
Die Herausforderung
Die kritische Auseinandersetzung beginnt bei der Frage: Wieweit ist es im Sinne der Transparenz geboten, auch das Gehalt des Geschäftsführers im Aushang zu nennen?
Kritisch wird das für mich als Gründer und Eigner des Unternehmens, weil die Offenlegung meines Gehalts mit einer buntne Mixtur an Gefühlen verbunden ist:
Im Zentrum steht bei mir konkret die Angst, als „überbezahlt“ im Vergleich zu den Angestellten angegangen zu werden. Dabei stelle ich mir den Worst-Case wie folgt vor: Mein Team stellt mich als emotionslosen Kapitalisten hin, der nur an seinen eigenen Geldbeutel denkt und gleichzeitig das Team schlecht behandelt und rücksichtslos ausbeutet.
Puh! Davor habe ich richtig Angst!
Aber woher kommt dieses Gefühl eigentlich? Kommt es von mangelndem Selbstwert oder fehlender Souveränität? Fehlt mir einfach ein wenig Gelassenheit, Sturheit oder Mut?
Objektiv betrachtet liegt meine Bezahlung im Vergleich zu einem Fachmonteur bei einem Faktor von 2 – 3. Kürzlich habe ich gelesen, dass die Schweiz in einer Volkinitiative vor ein paar Jahren für den (maximalen) Faktor von 1:12 plädierte. In internationalen börsennotierten Unternehmen habe ich schon vom Faktor 900 gehört.
Außerdem liegt meine Bezahlung um ein Drittel unter dem angemessenen Gehalt, dass der Fiskus in einer Tabelle für seine Prüfer veröffentlicht.
Trotz dieser Tatsachen zögere ich noch, das Gehalt eines Geschäftsführers in unseren betrieblichen Lohn-Tarif aufzunehmen.
Noch - denn ich spüre, dass dies an einem entscheidenden Punkt ein gutes Beispiel für In-Transparenz ist, die ich als ethischen Wert hinter mir lassen möchte.
To be continued ….
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